Geburtsbericht Tina Lisa 30. Mai 2022
Es war Sonntag, der 29. Mai 2022 und ich war zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin, als mein Partner Moritz und ich beschlossen, unser Büro aufzuräumen und die letzten Feinschliffe an der Kinderzimmereinrichtung vorzunehmen. Ansonsten hatten wir soweit alles bereit für die Ankunft unserer Tochter, auch wenn wir davon ausgingen, sie würde bestimmt auf sich warten lassen und erst im Juni zur Welt kommen – dies soll ja bekanntlich bei Erstgebärenden oft der Fall sein -. Als wir am Nachmittag mit der Aufräumaktion fertig waren, beschlossen wir noch auf unsere vierzigminütige Spazierrunde zu gehen, die wir während der gesamten Schwangerschaft fast täglich gemacht haben. Als wir unterwegs waren, sagte ich noch zu Moritz, dass dies vielleicht der letzte Spaziergang ohne Baby sein könnte. Tatsächlich hatte ich nach unserer Ankunft zuhause, so gegen 19:00 Uhr, dann meine erste Wehe. Es war für mich klar, dass es irgendeine Form von Wehe sein musste, es fühlte sich allerdings nicht schmerzhaft an und so lebte ich ganz normal in den Abend hinein. Wir assen gemütlich zu Abend, tauschten Zärtlichkeiten aus, schauten Eishockey-WM und gingen schliesslich zu Bett, wo Moritz mir noch eine Hypnose (Safe Place) vorlas. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon ziemlich regelmässige Wehen, ca. im Abstand von 5-10 Minuten. Ich dachte mir allerdings nicht besonders viel dabei und veratmete Wehe für Wehe mit den gelernten Atemtechniken, bis ich schliesslich einschlief. Interessanterweise wachte ich immer mal wieder auf und realisierte, wie ich im Halbschlaf die ganze Nacht über Wehe für Wehe veratmete und so im Schlaf viel Kraft tanken konnte.
Bevor Moritz um 8 Uhr zur Arbeit ging, machten wir noch einmal eine Hypnose (Regenbogen Meditation) und ich beschloss anschliessend, mir ein Bad einzulassen um herauszufinden, ob es sich um „echte Wehen“ oder wie vermutet bloss um Vorwehen handelte. Im Hintergrund liess ich permanent die aufgenommene Hypnose und Entspannungsmusik laufen und konnte mich so im Bad noch mehr entspannen. Also müssen es Vorwehen sein – dachte ich. Gegen 10:00 Uhr nahm der Intervall jedoch zu und ich spürte schon alle fünf Minuten eine Wehe, kam allerdings durch die verschiedenen Atemtechniken und häufigen Positionswechsel sehr gut damit klar, sodass ich es nicht für notwendig hielt bereits jetzt meine Beleghebamme zu kontaktieren. – Schliesslich sind es ja nur Vorwehen 😉 – dachte ich mir und wir wollten ja nicht zu früh ins Spital fahren.
Plötzlich war schon Mittag und Moritz kam nach Hause, ich schaffte es zwischen den Wehen nicht, das Mittagessen bereitzustellen und so kochte er für uns Mittagessen. Ich war zu sehr mit der Verarbeitung der Wehen beschäftigt, sodass ich kaum etwas essen mochte. Als Moritz wieder zur Arbeit ging, nahm ich erneut ein Vollbad. Doch diesmal konnte ich mich nicht mehr so gut im Wasser entspannen und ging von der Badewanne zum Sofa, vom Sofa zum Bett, vom Bett zum Esstisch, vom Esstisch auf den Balkon, vom Balkon zur Toilette und zurück in die Badewanne, zum Sofa und so weiter. Mal veratmete ich eine Wehe mit der langsamen Atmung, mal im Vierfüsslerstand, mal half mir das Beckenkreisen, der Gymnastikball, mal liegend auf der Seite, auf der Toilette, in der Hocke, wieder in der Wanne etc.
Ich kontaktierte in der Zwischenzeit meine Hebamme Silke, weil ich mir nun sicher war, dass ich diese Nacht mit dieser Wehenintensität nicht mehr würde schlafen können. Silke meinte am Telefon, wir sollen mal schauen, was der Nachmittag so bringt und eventuell könne sie mir dann etwas geben, damit die Schmerzen weggehen und ich nochmals zur Ruhe komme für die Nacht. Und so tigerte ich den ganzen Nachmittag weiter in der Wohnung herum und fand es faszinierend, wie ich mit jeder Wehe etwas dazulernte und durch die verschiedenen Techniken immer besser damit umgehen konnte, auch wenn die Intensität zunahm. Im Hintergrund lief noch immer die Hypnose mit Entspannungsmusik, auf die ich mich zwischen den Wehen gut einlassen konnte. Irgendwann bekam ich Durchfall und auch ein drittes Vollbad und verschiedene Positionswechsel milderten die Intensität der Wehen nicht mehr. Dennoch bezeichnete ich mein Empfinden nicht als schmerzhaft. Bei der nächsten Wehe jedoch hatte ich das Bedürfnis laut zu schreien, zu weinen oder zu singen, irgendeinen Laut von mir zu geben. Es war das, was mir jetzt guttat und gleichzeitig war das für mich der Zeitpunkt als ich meine Hebamme Silke erneut anrief und beschloss, dass wir uns direkt im Spital treffen. Sie gab mir noch den Tipp, ich solle durch die Nase ein und durch den Mund ausatmen und mir vorstellen, wie ich die Luft durch meine Scheide hinausblase. Kurz zuvor löste sich bei mir der Schleimpfropf, doch selbst zu dem Zeitpunkt war ich mir noch nicht sicher, dass die Geburt nun wirklich heute losgehen sollte. – Vielleicht erhalte ich einfach ein Mittel, dass ich noch eine Nacht schlafen kann – dachte ich.
Moritz war unterwegs nach Hause und ich konnte es kaum erwarten loszufahren. Wir hatten noch eine 45-minütige Autofahrt vor uns und es war gerade Feierabendzeit, also viel Verkehr zu erwarten. Ich hatte grossen Respekt vor der Autofahrt und stieg hinten ein. Obwohl die Ampel an jeder Kreuzung auf rot war, blieb ich total entspannt, öffnete das Fenster und liess mir den sommerlichen Fahrtwind ins Gesicht blasen. Wenn eine Wehe kam, hielt ich mich am Kleiderhaken fest, kreiste meinen Nacken und machte verschiedene Töne – A – E – I – O – U oder manchmal atmete ich auch einfach sehr laut. Auch im Auto liessen wir unsere Hypnose laufen und zwischendurch plauderten wir etwas miteinander und fragten uns, ob es nun heute wohl losgehen würde. Moritz legte immer wieder seine Hand auf mein Knie und tatsächlich war die Fahrt ganz kurzweilig.
Als wir um 18:30 Uhr schliesslich im Spital ankamen und er mich bei der Notaufnahme aussteigen lassen wollte, war ich schon im Gebäude, bevor er überhaupt richtig angehalten hatte und da empfing mich auch schon Silke. Ich redete kurz mit ihr, weil ich gerade eine Wehenpause hatte, doch die nächste Wehe kam dann im Gang zum Gebärzimmer, wo ich mich auf den Boden kniete und von Silke mit einem wohltuenden Griff im Kreuz unterstützt wurde. Anschliessend durfte ich ein Gebärzimmer aussuchen und Moritz war auch schon wieder da. Ich öffnete das Fenster im Gebärzimmer und sagte immer, was mir gerade guttun würde. Als mich Silke schliesslich vaginal untersuchte, stellte sie fest, dass mein Muttermund bereits komplett offen war und jetzt war uns definitiv klar, dass wir zur Geburt bleiben würden. Da ich mir eine Wassergeburt wünschte, liess Silke die Wanne einlaufen und legte mir in der Zwischenzeit am linken Unterarm einen Zugang, da ich wegen eines positiven Streptokokken Abstriches vorsichtshalber Antibiotika verabreicht bekam. Der Zugang störte allerdings überhaupt nicht und wir witzelten noch, dass es Schmerzmittel drin hätte und tatsächlich half mir dieser Placebo-Effekt. Anschliessend verbrachte ich den ganzen Rest der Geburt in der Wanne, wo mir Silke ein paar homöopatische Kügelchen verabreichte. Im Nachhinein erfuhr ich, dass die Kügelchen gar nicht gegen Schmerzen, sondern um den Kopf freizuhaben wirken sollten. Auch hier wirkte Placebo wahre Wunder. 🙂
Wir installierten unsere Lautsprecher im Wannenzimmer und liessen im Hintergrund immer wieder die gleiche Hypnose laufen. Sätze wie „Bejahe jede Welle“, „im Jetzt bleiben“, „die Kraft der Natur annehmen“ beruhigten mich. Die Fruchtblase platzte nach etwa zehn Minuten in der Wanne. Silke gab mir immer wieder Tipps für die Veratmung oder schlug verschiedene Gebärpositionen vor. Moritz hatte den Griff am Kreuzbein inzwischen auch gelernt und konnte mich gut unterstützen. Er sagte mir immer wieder wie toll ich das mache, dass ich schön aussehe und wie sehr er mich liebt. Das gab mir enorm viel Kraft. Silke animierte mich fortan, mich zwischen den Wehen zu entspannen, informierte mich über den Geburtsverlauf und dass es bald soweit sei. Ich durfte mit meiner Hand das Köpfchen tasten, welches bereits tief im Becken lag. „Sie hat lange, schwarze Haare“ – verriet mir Silke.
Da ich die Augen während den Wehen immer geschlossen hatte, realisierte ich erst in einer Pause, dass plötzlich schon der Belegarzt im Zimmer stand. Ich grüsste ihn und wusste genau, dass es nun gleich soweit sein wird. Dann kamen auch schon die ersten Presswehen, welche ich als angenehm empfand, da ich dabei aktiv mitschieben konnte. Silke leitete mich genau an, wohin und wann ich atmen soll. Bei der ersten Presswehe spürte ich das Köpfchen austreten, es gleitete jedoch wieder zurück. Nach einer entspannenden Pause kam auch schon die zweite Presswehe und das Köpfchen war geschafft, ehe ich es realisierte. Die letzte Presswehe war etwas weniger intensiv, jedoch länger und noch einmal durfte ich schieben und schon war das kleine Wunder vollbracht: Unsere Tina Lisa war um 21:07 Uhr geboren. Silke hob die kleine Tina aus dem Wasser und legte sie mir direkt auf die Brust. Tina musste laut schreien und niessen und ich war völlig fassungslos und überglücklich. Einen Moment vergass ich alles um mich herum. Nach einer kurzen Blutabnahme von der Nabelschnur liessen wir diese auspulsieren und Moritz durfte die Nabelschnur durchtrennen. Danach musste ich die Wanne verlassen, um die Plazenta zu gebären. Tina durfte in der Zwischenzeit zu Papa Moritz und meine Plazenta war Minuten später auf dem Gebärbett mit einer letzten, sanften Wehe geboren. Tina wurde mir nach einem kurzen Untersuch der Plazenta wieder auf die Brust gelegt, wo uns Silke direkt beim ersten Anlegen an der Brust unterstützte. Die Kleine war durstig und saugte fleissig an meiner Brust. Es war ein unfassbar schönes Gefühl, unsere Tochter das erste mal zu stillen und so nah bei mir zu haben.
Die Geburt war für mich ein unbeschreiblich schönes Erlebnis. Nichts hätte ich mir anders gewünscht und die Erfahrung übertraf jegliche meiner Erwartungen und Wünsche. Dank meiner guten Vorbereitung und der top Unterstützung meiner Begleitpersonen konnte ich das Schmerzempfinden als etwas Positives wahrnehmen und zu keiner Zeit fühlte ich mich ausgeliefert oder hilflos. Im Gegenteil: Es war für mich ein extrem schönes, kraftvolles und selbstbestimmtes Erlebnis, welches mit nichts auf dieser Welt zu vergleichen ist.