Viele werdende Mütter haben ihre persönlichen Präferenzen zum Geburtsort ihres Babys. Martina Gassmann erklärt, worauf die werdenden Eltern bei der Wahl des Geburtsortes achten sollten.
Martina, jedes Spital bietet doch in etwa die gleichen Leistungen bei der Geburtshilfe an, oder etwa nicht?
Martina Gassmann: Ich kenne natürlich nicht alle Spitäler persönlich, doch unser Gesundheitssystem sichert uns eine definierte Grundversorgung zu. Also ja, das dürfte in etwa schon so sein.
Somit hat jeder Spital eine mehr oder weniger gleichwertige Ausrüstung für eine «normale» Geburt, oder?
Ja, das ist richtig. Deine Frage stösst jedoch gleich in ein omnipräsentes Kernthema der «modernen» Geburt.
Was für ein Kernthema denn?
Die moderne Medizin hat uns in vielen Bereichen sehr wertvollen Fortschritt gebracht, eine bewundernswerte Sache. Mit dieser Entwicklung geht leider auch der Vertrauensverlust der Menschen in ihre eigenen Fähigkeiten einher.
Wie meinst du das?
Findest du denn, man kann oder sollte die Geburt eines Menschen im Kontext eines optimierten Hightech-Prozesses sehen?
Hm, gute Frage … nein, eigentlich eher weniger, das hört sich ja nicht sehr menschlich an.
Ja, das sehe ich auch so … und genau das sollten werdende Eltern auch in ihre Überlegungen zur Wahl des Geburtsortes einfliessen lassen, denn bei der Geburt ihres Babys gibt es halt definitiv keinen Rewind-Button.
Ja, wie wahr.
Genau, und deshalb darf die moderne Technologie bei einer «normalen» Geburt ohne Komplikationen mit gutem Gewissen in die zweite Reihe gesetzt werden. Letztendlich ist und bleibt es die Frau, die mit ihrem perfekt dafür gebauten Körper und ihrer mentalen Stärke die Geburt ihres Babys selbstbestimmt ermöglicht.
Und was ist mit einer Kaiserschnitt-Geburt?
Für einen Kaiserschnitt (Sectio) kann es diverse Indikationen mit entsprechenden Risikobeurteilungen geben. Und natürlich gibt es auch sonst die unterschiedlichsten Gründe, warum sich werdende Mütter dafür entscheiden … das ist einfach so, ich sehe das völlig ohne Wertung. Die Wahl des Geburtsortes sollte jedoch auch bei einem geplanten Kaiserschnitt wohlüberlegt sein.
Auf was sollten werdende Eltern bei der Wahl des Geburtsortes denn achten?
Das lässt sich nicht generell beantworten, denn die Wünsche und Erwartungen der werdenden Eltern können sich in grundsätzlichen Bereichen oder auch nur in kleinen aber dennoch wichtigen Details unterscheiden. Die werdenden Eltern sollten sich auf jeden Fall mit diesem Thema proaktiv auseinandersetzen. In diesem persönlichen Prozess werden sie dann erkennen, was ihnen wichtig ist und wie sie sich eine für sie ideale Geburt vorstellen würden, eine Wunschgeburt.
Was kann denn passieren, wenn man diesen wichtigen Aspekt der Geburtsvorbereitung vernachlässigt oder gar versäumt?
Dann kann das passieren, was schon unzähligen werdenden Eltern passiert ist: Sie finden sich während der Geburt ihres Babys vielleicht plötzlich unvorbereitet in einer Situation wieder, welche für sie enorm beängstigend sein kann und sie kaum einen klaren und sinnvollen Gedanken fassen lässt. Das führt dann in der Regel dazu, dass die Geburtshelfer (Arzt/Hebamme) die Führung übernehmen müssen und den Geburtsprozess nach ihren Erfahrungen und fachlichen Einschätzungen beeinflussen und entsprechend steuern. Im Nachgang zu einer solchen Geburt fragen sich die frischgebackenen Eltern dann sehr oft, was da eigentlich schiefgelaufen ist und dass das ja überhaupt nichts damit zu tun hatte, was sie sich gewünscht haben. Sie sind dann einfach nur enttäuscht, insbesondere weil die Selbstbestimmung komplett unterging. Und wie gesagt, für eine Geburt gibt es genau nur einen Versuch.
Ich verstehe, die werdenden Eltern sind dann sozusagen «hilflose Zuschauer» bei der Geburt ihres Babys.
Ja, und das darf nun wirklich nicht sein.
Und welche Punkte sollten die werdenden Eltern unbedingt bei der Wahl des Geburtsortes berücksichtigen?
Der wichtigste Punkt ist das persönliche Gespräch mit dem Fachpersonal vor Ort, dabei merkt man sehr schnell, wie das dort so läuft und ob die Chemie auch stimmt. Dazu ist eine gute Vorbereitung mit den richtigen Fragen unerlässlich. Wir haben also auf der einen Seite den menschlichen Aspekt als Basis. Dazu gesellen sich diverse Fragen, welche das Verhalten der Geburtshelfer während der Geburt behandeln, insbesondere interessieren da auch Fragen zum Standard-Prozedere, denn nicht in jedem Spital gelten die gleichen Regeln.
Hast du dazu ein Beispiel?
Ja, natürlich. Hier eine mögliche Frage: Kann ich so lange wie möglich vor der Geburt zu Hause bleiben, wenn kein spezielles Risiko erkannt wird?
Das ist doch selbstverständlich, oder nicht?
Nein, das ist es leider nicht unbedingt. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Spitäler in allen Bereichen so wirtschaftlich wie möglich funktionieren müssen. Deshalb sind die Spitäler auch daran interessiert, die Leistungen für eine Geburt so effizient und effektiv wie möglich zu gestalten. Aus wirtschaftlicher Sicht wäre natürlich eine Geburt nach Plan ideal.
Und für das Baby und die werdenden Eltern wohl eher nicht.
Genau, für das Baby ganz sicher nicht. Bei den werdenden Eltern gibt es – wie schon angesprochen – ein breites Spektrum an Präferenzen. Es gibt auch werdende Mütter und Väter, die sich mit einer durchgeplanten Geburt wohler fühlen. Aus Sicht des Babys und der Natürlichkeit der Geburt dürfte eine entsprechende Planung jedoch eher kontraproduktiv sein.
Inwiefern?
Das Baby weiss besser als alle anderen Beteiligten, wann der richtige Zeitpunkt für die Geburt gekommen ist.
Das leuchtet ein. Hast du noch andere Beispiele?
Ich würde hier natürlich gerne alle wichtigen Fragen ansprechen. Diese Fragen haben jedoch immer einen tieferen Hintergrund, der hier leider nicht angemessen behandelt werden kann. In meinem HypnoBirthing-Geburtsvorbereitungskurs lernen die werdenden Eltern alles dazu.